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Stummfilm im Film

 

Stummfilm im Film

Amante Menguante

Um die Handlung des Films facettenreich zu gestalten, bedient sich Almodóvar nicht nur des Tanztheaters sondern auch des Films innerhalb seines Films.

Vielleicht, um die Schwere der Thematik aufzufangen, die der Film behandelt, fügt er im Film den kurzen schwarz-weißen Stummfilm Amante Menguante (zu deutsch: Der Verschwindende Liebhaber) ein, der Benignos körperliches Begehren symbolisiert.

Handlung

Um seiner Geliebten Amparo (Paz Vega) den Beweis seiner Liebe zu erbringen, trinkt Alfredo (Fele Martínez) ein von ihr zusammengebrautes Elixier, das ihn zur Größe eines Däumlings schrumpfen lässt. Als diese sich schlafen legt, nutzt er seine neue geringe Körpergrösse, um ungestört den Körper der Angebeteten zu erforschen. Nachdem er sich ausgiebig ihren Brüsten gewidmet hat, verschwindet er nach einigem Zögern und zu ihrer grossen Verzückung in ihrem Schoß.

Parallelen

Auch hier ist es wieder die schlafende Frau und der wache Mann, die eine Parallele zum Film darstellen. Und auch diese Sequenz baut Almodóvar geschickt in seine Handlung ein: Benigno berichtet seiner Alicia von diesem kurzen Stummfilm, den er in der Kinemathek gesehen hat, und der ihn, wie er selbst sagt, “sehr irritiert hat”.

Er selbst sieht die Parallele nicht, aber der Zuschauer kommt gar nicht darum herum, die Symbolik dieser Sequenz zu erkennen. Und gerade dadurch ergibt sich für ihn eine Freiheit, die unabhängig von jeglicher Moral oder Ethik Raum für Phantasie und eine eigene Deutung und Bewertung der Handlung lässt.

Die erotische Komponente, die durch diesen Parallelfilm angedeutet wird, entgeht so einer unmittelbaren moralischen Bewertung. Während eine direkte Verfilmung von sexuellen Handlungen unweigerlich dazu geführt hätte, dass der Zuschauer die Figur des Benigno nicht mehr als in gewissem Maße unschuldig empfunden hätte, gelingt es dem Regisseur mit dieser filmischen Anspielung erneut, die Figur des Benigno unbefleckt zu halten. Er ist weder Täter noch Retter noch Opfer. Und dennoch ist er alles in einem. Mit Hilfe von Abstraktion und Symbolik schafft Almodóvar diesen Sprung und bewahrt dadurch eine Offenheit, die eine eigene moralische Bewertung durch den Betrachter und eine Auseinandersetzung mit diesem heiklen Thema nicht nur möglich sondern gar erforderlich macht.