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Fellinis Selbstreflexion

 

Fellinis Selbstreflexion

Die Entstehungsgeschichte

Federico Fellini wies selbst darauf, dass 8 1/2 ein stark autobiographisch geprägter Film ist. Nach eigenen Berichten durchlebe Fellini kurz vor Drehbeginn eine ähnliche Situation wie sein Protagonist. Kurz nach seinem vierzigsten Geburtstag geriet er in eine Schaffenskrise. Die Quelle seiner Inspiration versiegte. Bei seinem Produzenten Angelo Rizzoli hatte er allerdings bereits einen Vertrag für einen weiteren Film unterschrieben. Genau wie der Protagonist Guido in dem Film, versuchte sich Fellini zusammenzureißen und eine zentrale Idee zu entwickeln. Doch es wollte ihm nicht gelingen. Also schrieb er einen Brief an Rizzoli mit der Bitte seine Verwirrung zu akzeptieren. Er könne unmöglich fortfahren. Doch bevor er den Brief losschickte, besuchte er eine Geburtstagsparty, zu der fast alle Mitarbeiter eingeladen waren. Auf der Feier spürte er, wie sehr ihm seine Kollegen vertrauten. Wenn er den Job hinschmiß, würden alle anderen ihre Arbeit verlieren.

Er verließ schnell die Party, um noch einmal in sich zu gehen. In dieser Nacht beschloss er, einen Film über eben genau diese Situation zu machen. “Die Geschichte, die ich erzählen würde, sollte von einem Schriftsteller handeln, der nicht weiss über was er schreiben möchte.”1

Guido und Frederico

Da es schwierig war einen Schreibprozess im Film darzustellen, entschied sich Fellini zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Schriftsteller einen Filmregisseur zu machen. Der Protagonist steckte damit nicht nur in der gleichen Situation wie der italienische Maestro, sondern hatte auch den gleichen Beruf wie er. So weisen viele Details daraufhin, dass die Figur, die Marcello Mastroianni in dem Film verkörpert, stark an Fellini angelehnt ist. Mastroianni ist im gleichen Alter wie sein Regisseur und trägt mit dem Hut ein Kostüm, das „als ein Merkmal des Regisseurs Fellinis2 gilt.

Zusätzlich wird Guido als ein sehr selbstreflexiver Mensch dargestellt. Er sinnt über seine Kindheit nach, die wiederum parallelen zu Fellinis Vergangenheit aufweist. Die selbstreflexive szenische Darstellung steht im Mittelpunkt der Untersuchung. Statt mit realen Ereignissen wird die Figur im Laufe des Filmes mit fiktiven Vorstellungen, die in seinem Kopf entstehen, konfrontiert. Im Verlauf des Films vermischt sich die Vorstellungswelt des Regisseurs mit seiner realen, lebensweltlichen Umgebung. Schließlich ist es möglich Guidos Film als Fellinis Film zu verstehen:

„Es ist also nicht ausreichend, wenn man vom ‚Film im Film‘ spricht: 8 1/2 ist der Film in dem 8 1/2 entsteht; der Film im Film ist hier der Film selbst.“3

Zusätzlich weist der Regisseur darauf hin, dass der Titel 8 1/2 nichts mit der im Film erzählten Geschichte zu tun hat, sondern für die Anzahl seiner bisher gedrehten Filme steht. Zwei kleinere Beiträge für Episodenfilme hat er dabei als einen halben Film gezählt.4 Die autobiographischen Bezüge machen den Film „metafilmisch zu einer Art ‚arbeitstechnischer Autobiographie‘“5, was sich besonders am Ende des Films herauskristallisiert.

Abwendung vom Realismus

Die selbstreflexive szenische Darstellung bildet damit eine Metaebene zu der Realitätsebene des Films. Fellini rückt diese Ebene ins Zentrum seiner Betrachtung. Durch diese Konzentration auf die fiktive Vorstellungswelt und die selbstreflixiven Gedanken überwindet er endgültig den Realismus bzw. den italienischen Neorealismus.

“Ich meine, dass man die Wirklichkeit nicht als Panorama einer einzigen Oberfläche sehen darf, dass es mehrere Schichten gibt und die tiefste, jene, die nur durch die Sprache der Poesie erweckt werden kann, nicht die unwirklichste ist. Realismus ist überhaupt ein schlechtes Wort. In einem gewissen Sinne ist alles realistisch. Ich sehe keinen Trennungsstrich zwischen der Vorstellung und der Wirklichkeit. Ich sehe viel Wirklichkeit in der Vorstellung.”6

Quellen

1 Erinnerung zu 8 1/2 von Fellini bei citerionco

2 Koebner, Thomas: Filmklassiker. Band 2. 1947 – 1964; Ort: Stuttgart, Reclam, 1995, S. 511

3 Metz, Christian: Semiologie des Films, Ort: München, UTB für Wissenschaft, 1972, S. 294

4 Töteberg, Michael: Federico Fellini mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Ort: Hamburg, rororo 1989, S. 76.

5 Strohm, Susanne Petra: Kino der Extreme – Die Filme Federico Fellinis im rezeptionsästhetischen Diskurs, Ort: Frankfurt am Main, Europäische Hochschulschriften : Reihe 30, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, 1993, S. 34.

6 Zitat von Frederico Fellini bei Dieter Wunderlich