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Ein Film mit Laiendarstellern

 

Ein Film mit Laiendarstellern

Bereits mit ihrem Film Mein Stern hat die junge Nachwuchsregisseurin Valeska Grisebach auf die Authentizität des Einsatzes von “unprofessionellen” Schauspielern gesetzt. Mit einer Besetzung, die jenseits der Kataloge der Casting-Agenturen zusammengestellt wurde, hatte sie damals ein Portrait vom Übergang der Kindheit ins Erwachsenenleben gezeichnet, mit allem, was dazu gehört.

Darsteller-Laien

In Sehnsucht geht sie gewissermaßen einen Schritt weiter auf der Lebensleiter. Sie betrachtet junge Erwachsene, die sich ihrem Leben stellen müssen. Wiederum geschieht dies ausschließlich mit unprofessionellen Darstellern, die sie auf der Straße, bei Dorffesten und Veranstaltungen für ihr Drehbuch gecastet hat. Und wieder gelingt es den Darstellern, das Leben in seiner Ungeschminktheit und Einfachheit darzustellen, ohne Schnörkel und ohne Melodramatik. Und genau das, sagt die Regisseurin, sei der Grund für ihre Wahl bei der Besetzung gewesen:

Sehnsucht erzählt eine melodramatische Geschichte, und im Kontrast dazu gibt es Akteure, die man nicht von vornherein mit den Akteuren eines Melodrams verbindet, keine Stars. Es ging mir darum, gerade diesen Augenblick herzustellen, in dem jeder ein Star, jeder der Hauptdarsteller seines Lebens ist. Aus diesem Kontrast kann vielleicht ein Glitzern entstehen.”1

Dennoch ist das, was auf den ersten Blick wie eine dokumentarische Betrachtung wirkt, ein durchaus berechnetes Gesamtkunstwerk: Denn gewollt sind die stillen Momente, die stockenden Dialoge, die langen Blicke. Dies alles verdichtet sich zu einer Reduktion, die nach und nach hervorhebt, dass nicht alles steuerbar ist, und dass sich die vordergründige Schlichtheit des Lebens an den komplexen Sehnsüchten bisweilen die Zähne ausbeissen kann.

“Es geht darum Situationen zu gestalten, die den Mitwirkenden vertraut waren, so dass etwas in den Film hineinkommt, das man nicht gestalten kann. Auch Überraschungen, wie ein „Gruß aus der Wirklichkeit“ – etwas, das man nicht mehr ganz selbst in der Hand hat. Das finde ich schön.”2

Die Kamera

Der Kontrast vom Alltäglichen mit dem Melodramatischen bekommt jedoch nicht nur durch die Besetzung eine besondere Intensität, auch die Kameraführung von Sehnsucht ist bemerkenswert reduziert. Lange Einstellungen und Großaufnahmen der Protagonisten lassen den Blick auf solche Emotionen zu, die sonst nach Schnitten nur zu erahnen gewesen wären.

Es war ihr ein Anliegen, die Kamera nicht zum Sprecher sondern lediglich zum Sprachrohr zu machen und sämtliche Emotionen durch die Darsteller auszudrücken. Dass sie dabei auf Bernhard Keller zurückgreifen konnte, mit dem sie bereits ihre Spielfilm-Dokumentation Mein Stern verwirklicht hatte, kam ihr dabei sehr gelegen:

“Ich lese sehr gerne zeitgenössische amerikanische Literatur. Die Sprache ist so lakonisch, verkürzt, so umgangssprachlich. Das ist eine interessante Fährte für Bernhard Keller (...) und mich. Es geht darum, sich zurückzunehmen, von der Kamera nicht zu viel zu wollen.”3

Die Geschichte

Auch die Geschichte ist eine alltägliche. Die junge Nachwuchsregisseurin verbrachte lange Zeit mit Recherchen zu ihrem neuen Projekt. Inspiriert wurde sie bei einem Aufenthalt in Frankreich, bei dem sie die Geschichte eines Schreinermeisters hörte, der glücklich verheiratet war, eines Tages auf Geschäftsreise ging und sich fernab von seinem heimatlichen Glück plötzlich verliebte. Am Ende schoß sich der verzweifelte Mann mit einer Schrotflinte für die Hasenjagd in die Brust. Er überlebte.

Valeska Grisebach fand die Geschichte faszinierend. Die Einfachheit der Menschen und die romantische Dramatik wollte sie – wenn auch vor einem anderen Hintergrund – einfangen:

“Für mich hatte sie etwas von einem Country-Song, etwas ganz Schlichtes. Ich war auf der Suche nach einer Form von Reduktion. Das Dorf hat mit dem realen Dorf wenig zu tun. Es ist mehr die Vorstellung von dem, was man damit verbindet, was zu einer gewissen Form von Schlichtheit beitragen kann, oder auch von Dingen, die man mit einer altmodischeren und märchenhafteren Sache assoziiert – wie das Dorf, das Haus, die Straße, die Frau, der Mann.”4

Hatte sie in Mein Stern noch den Prozeß des Erwachsenwerdens ins Auge gefasst, so ließ sich die junge Regisseurin nun vom Thema des Erwachsenseins mit all den erfüllten oder enttäuschten Erwartungen und Sehnsüchten leiten:

“Mich interessierte dieser Moment, in dem schon etwas mehr Zeit abgelaufen ist, man mitten im Leben steht und trotzdem noch viele Sehnsüchte bestehen.”5 “Die Frage an mich war: „Wie ist es im Alter von dreißig Jahren plötzlich zu merken, nicht alles bekommen zu können, was man sich wünscht?“ Das war der Anfang und am Ende bin ich dann bei der Geschichte eines kleinen Mannes aus Brandenburg gelandet, den die große Sehnsucht trifft.”6

Folgerichtig hat sich Valeska Grisebach als nächstes Projekt das Thema Abenteuerfilm vorgenommen, und man darf gespannt sein, wie sie dieses neue Abenteuer meistern wird.

Quellen

1 Interview mit der Regisseurin auf taz.de

2 Interview mit der Regisseurin auf 3sat.de

3 Interview mit der Regisseurin auf taz.de

4 Interview mit der Regisseurin beim Film-Dienst

5 Interview mit der Regisseurin auf chilli.cc

6 Interview mit der Regisseurin beim Film-Dienst