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Besprechung

 

Besprechung

Josef von Sternbergs Film Der Blaue Engel als Adaption des 1905 erschienenen Romans Heinrich Manns Professor Unrat oder Das Ende eines Tyrannen, der neben Heinrich Manns Der Untertan (1906-14/1918) zur Weltliteratur zählt, weicht stark von der literarischen Vorlage ab. Obwohl Heinrich Mann seine Zustimmung zur Verfilmung gab, fehlt es dieser doch in weiten Teilen an Schärfe, satirischer Zuspitzung und vor allem im Schluss an einer deutlich werdenden, doppelsinnigen Kritik der wilhelminischen Gesellschaft.

Dennoch zählt auch Josef von Sternbergs Meisterstück zu den bedeutendsten Filmen der Weimarer Zeit. Die Handlung ist in sich geschlossen, und wird von einer exzellenten Crew an Schauspielern verkörpert. Emil Jannings und Marlene Dietrich begeistern ebenso, wie die längst weltberühmte Filmmusik Friedrich Hollaenders, die düsteren, schummrigen Bilder Günther Rittaus und das dementsprechende Szenenbild. Das alles macht Der Blaue Engel zu einem frühen „Kultfilm”.

Im Roman ist Unrat ein engstirniger, dekadenter Kleinbürger voller Doppelmoral. Erst seine Bekanntschaft mit der Tänzerin Rosa lässt ihn gegen die Gesellschaft mit anarchistischen Mitteln rebellieren. Doch am Schluss, wird er aufgrund eines Diebstahls, wieder von den Mechanismen der wilhelminischen Sozialstrukturen eingeholt.

Im Film endet Professor Rath (Emil Jannings) als der Lächerlichkeit preisgegebener Dummkopf, der sich nichts sehnlicher wünscht, als wieder in seinen Beruf als Schuldirektor in den Dienst treten zu können.

Emil Jannings, der nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten zum beliebten Protagonisten in Propagandafilmen des NS-Regimes wurde, wie beispielsweise in Der alte und der junge König (1935), Ohm Krüger (1941), spielt in Der Blaue Engel einen Professor Unrat mit all seiner Widersprüchlichkeit.

Er verkörpert überzeugend die gescheiterte Persönlichkeit zwischen konservativ reaktionärer Weltanschauung und einer durch die Bekanntschaft Lolas ausgelösten unbändigen Leidenschaft. Die Zuneigung zu der von ihm heroisierten, wesentlich jüngeren Frau raubt ihm alle Sinne. Rath wird mit seiner, wie Heinrich Mann schreibt, „überreizten Zärtlichkeit des Menschenfeindes” letztlich nicht fertig. Seine ganze Erziehung, in der „eine einflussreiche Kirche, ein handfester Säbel, strikter Gehorsam und starre Sitten” die Hauptrollen spielten, gerät ins Wanken. Er begreift nicht, dass sich noch in der „Unterwelt” des Frivolen, Erotischen, Anzüglichen, in den abseits gelegenen, offiziell gemiedenen und von der öffentlichen Moral verurteilten, insgeheim aber begehrten Quartieren des Lasters seine eigene Welt negativ widerspiegelt.

Emil Jannings, der in den 1920er Jahren etliche Filme Paramount Pictures gedreht hatte, spielt diesen Protagonisten des Obrigkeitsstaates vor allem ausdrucksstark in seiner Mimik. Seinem Gesicht ist förmlich anzusehen, was in ihm vorgeht.

Marlene Dietrich, die durch diesen Film ihren internationalen Durchbruch schaffte, spielt eine frivole, andererseits aber auch mitfühlende Frau. Lola sehnt sich insgeheim danach dem frivolen Milieu zu entkommen und glaubt durch die Heirat mit Rath auch bürgerliche Sicherheit zu erhalten. Rath ist der erste Mann in ihrem Leben, der sie verteidigt, sie beschützt, statt nur etwas von ihr zu verlangen.

Auch die anderen Mitglieder des Tingeltangels kümmern sich um den Professor. Als Rath allerdings mit dem Schaustellerleben nicht mehr zu Recht kommt, distanzieren sie sich aus Unverständnis wieder von ihm.

Heinrich Mann stellt Rath in seinem Roman weder als ausgeprägte Feindfigur noch allein als Personifikation des Hasses auf eine erstarrte wilhelminische Gesellschaft dar. Der angesehene Professor wird vielmehr als lächerliches Scheusal voller Widersprüche entlarvt. In der Romanfigur erscheint Rath als Verkörperung des „Ganzen” einer Gesellschaft. In dieser Gesellschaft scheint selbst im Verhalten des Rebellen noch die Prägung durch die reaktionäre Sozialisation durch.

Im Film lässt Josef von Sternberg Rath auf andere Art scheitern. Er wird der Lächerlichkeit preisgegeben. Rath scheitert auf der ganzen Linie, und letztlich ist das Mitgefühl mit dem „Menschenfeind”, was am Ende als Eindruck bleibt.