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Direct Cinema und Radical Cinema

 

Direct Cinema und Radical Cinema

Direct Cinema ist auch als Uncontrolled Cinema bekannt.

Obwohl beide Stilrichtungen mit den leichten 16mm Kameras mit kabelloser Synchrontonvorrichtung arbeiten, gibt es mehrfache Unterschiede zum Cinema Verite. Rouch/Morin (Vertreter des Cinema Verite) wollen den Zuschauer auf den Prozess des Filmens aufmerksam machen (Interview, gefordert aktive Mitwirkung der Protagonisten, Einflussnahme auf alle Phasen der Produktion, nicht „life as it is“ sondern „life as it is provoked“).

Das Direct Cinema versucht dem Zuschauer das Gefühl zu geben unmittelbar am Gesehen teilzuhaben, dabei zu sein und zu beobachten, was auch ohne Anwesenheit des Filmteams so und nicht anders geschehen wäre. Ihre Glaubwürdigkeit gründet auf der Durchlässigkeit, der Nachvollziehbarkeit der technischen Bedingungen am Drehort und der Entscheidung hinter der Kamera und am Schneidetisch. Cinema Verite macht die Anwesenheit der Kamera bewusst, Direct Cinema versucht die Präsenz der Kamera weitmöglichst zurückzunehmen. Der Anspruch des Direct Cinemas ist das ungestellte Reale, authentisch zu filmen. Der Filmemacher ist Beobachter (idealerweise neutral und ohne Drehplan) von Ereignissen im Prozess ihrer Entfaltung, um mit der Kamera und dem Mikrophon zu entdecken und einzufangen. Spontanität ohne Anweisungen, ohne Fragen, ohne direkte Kommunikation, keine Inszenierungen, keine Wiederholungen oder Nachstellungen, untypisch sind Interviews, Filmemacher greift nicht ein und beeinflusst auch nicht, Protagonisten werden idealerweise nach nichts, außer nach ihrer Erlaubnis gefilmt zu werden, gefragt. Idealerweise liegen dann auch alle Phasen der Produktion in einer Hand.

Das Bedürfnis des Direct Cinema entsprang der Unzufriedenheit mit den herkömmlichen Methoden des Filmemachens. Der Studiofilm kontrollierte die Kamera, inszenierte von einem privilegierten Standpunkt aus. Fernsehreportage degradierte Bildmaterial dazu den voice-of-god-Kommentar lediglich zu illustrieren. Spielfilm und Fernsehen waren von konservativen und reaktionären Strömungen beherrscht.

Schon bald wurde „on the other hand…on the other hand…on the other hand…“ der bestimmende Direct Cinema Refrain. Die Begründer der Stilrichtung sind Richard Leacock und Robert Drew (Journalist und Bildredakteur beim Life Magazin. Er wollte die Methode der candid Photography auf das Filmmedium übertragen). Zusammen gründeten sie die Drew Associates, ein Zusammenschluss von Filmemachern, welche die neuen technischen Möglichkeiten an Hand des Dokumentarfilms für die Fernsehgesellschaft ABC erproben wollten.

Leacock und Drew waren auch maßgeblich an der Fertigung der gewünschten Ausrüstung beteiligt. Sie arbeiteten am kompakteten, tragbaren Tonbandgerät und an einer leisen und leichten 16mm-Kamera mit Zoomobjektiv. Außerdem setzten sie sich für die Beweglichkeit des Kameramannes ein, um den Ausschnitt zu variieren ohne die Kontinuität zu gefährden. Zusätzlich kam neues, hochempfindliches Filmmaterial auf den Markt, das das Filmen in Innenräumen ohne zusätzliches Licht ermöglichte.

Erster Direct Cinema Film war PRIMARY (1960) Produzent: Drew; Kameramann: Leacock, Pennebaker, A. Maysles, Filgate.