Almodóvars Rückkehr
Der Titel
Der Titel ist Programm in Pedro Almodóvars Film Volver. Hatte sein neuestes Werk zunächst den Titel Dieser Verflixte Wind tragen sollen1, so hätte er nach Angaben des Regisseurs auch Alles über meine Mutter 2 oder Vom Winde Verweht heißen können.2
Im Spanischen bedeutet der Begriff “Volver” zweierlei: es ist nicht nur das Wort für “zurückkehren”, sondern es wird ebenfalls verwendet, wenn es darum geht, “etwas wieder zu tun”. Auf den neuen Film des spanischen Regisseurs Pedro Almodóvar lassen sich beide Übersetzungen mühelos anwenden.
Sein Film Volver ist eine Rückkehr in vielerlei Hinsicht: Die beiden Töchter Raimunda und Sole kehren zurück an den Ort ihrer Kindheit, der jedoch nicht nur mit guten Erinnerungen verbunden ist. Die Mutter Irene kehrt zurück aus dem Jenseits und die Erinnerungen an alte Familiengeschichten kehren zurück aus Verdrängung und Vergessenheit. Selbst der in Notwehr von Raimundas Tochter Paula erstochene Paco kehrt zurück an den Ort, den er immer so liebte: Mit Hilfe ihrer Freundin verscharrt Raimunda die Leiche an seinem Lieblingsort am Fluß.
Es sind jedoch nicht nur die Charaktere in seinem Film, die eine Rückkehr antreten. Auch Pedro Almodóvar selbst, der nach eigener Aussage eine schwere, von kreativen Selbstzweifeln geprägte Zeit hinter sich hatte, kehrt zurück zu seinen Ursprüngen, filmisch wie biographisch.
Rückkehr nach La Mancha
Der Regisseur war in der spanischen Provinz La Mancha aufgewachsen. Mit 17 Jahren zog es ihn nach Madrid, wo er nach und nach seine filmische Karriere begann. Die Frage, ob er selbst sich eine Rückkehr in seine Heimat vorstellen kann, verneint er jedoch:
“La Mancha ist tief in meinem Herzen, und davon werde ich nie loskommen. Aber ich bin ein Stadtmensch geworden und könnte nicht mehr auf dem Dorfe leben. [...] Ich schätze meine Anonymität in der großen Stadt – in dieser Lebensphase.3
Es ist also kein Zufall, dass der Ort, an dem alles begann, in seinem neuen Film eine so große Rolle spielt. Denn die Faszination für das Leben auf dem Dorf hat der Stadtmensch Almodóvar nie verloren. Eng damit verbunden war auch die Erinnerung an seine Mutter, von der er sich inspirieren ließ:
“Mich interessieren die Wurzeln meiner Heimat, aber vor allem die Erinnerung an meine Mutter. Neben vielen anderen Dingen ist dieser Film ein Dialog in Erinnerung an meine Mutter. Sie ist die Quelle all dessen, was ich durch die verschiedenen Figuren hindurch erzähle.”4
Rückkehr zur Kömodie und zur Welt der Frauen
Neben der Rückkehr zu seinem biographischen Ursprung enthält der Film jedoch auch eine Rückkehr in filmischer Hinsicht: Hatte sich Almodóvar spätestens mit dem Film La Mala Educación - Schlechte Erziehung von seinen Wurzeln im Genre der schrillen Komödie, die sein früheres Werk prägten, entfernt, so hat er mit Volver wieder weichere Klänge angeschlagen. Dies führt der Regisseur auch darauf zurück, dass er sich in Volver wieder ganz und gar der Welt der Frauen gewidmet hat:
“Volver ist das genaue Gegenteil von La Mala Educación - Schlechte Erziehung. Während es in meinem letzten Film fast keine weiblichen Charaktere gab, ist Volver eine radikale Rückkehr zu der Welt der Frauen.”5
Und nach Auffassung Almodóvars ist dies auch der Grund dafür, dass es ihm mit Volver endlich wieder gelungen ist, die lebhafte und bunte Fröhlichkeit in sein Werk einfließen zu lassen, die seine früheren Filme prägte:
“Volver schöpft aus den schönen Erinnerungen an die Frauen, die mich das Leben mit Gefühlen lehrten und mir ihre Vitalität auf den Lebensweg mitgaben.”6 “Mir kamen sie immer energiegeladener vor, mit einer ihnen eigenen Kraft überwanden sie Probleme. Und durch die mit Details ausgeschmückten Geschichten, die sie mir erzählten, öffneten sie mir das Tor zur Fantasie.”7
Auch das Ensemble, mit dem der Regisseur seinen neuen Film besetzte, lässt eine Rückkehr erkennen: Hatte Penélope Cruz bereits in Filmen wie Alles über meine Mutter und Live Flesh - Mit Haut und Haar den Figuren aus Almodóvars Drehbüchern Leben eingehaucht, so ist Carmen Maura das erste Mal seit Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs von 1987 wieder mit von der Partie.
Wiederkehr, Tod und Abschied
Auch das Element der Wiederkehr findet in Volver ständige Vertretung. Da ist zum einen der heiße Ostwind, der jedes Jahr wiederkehrt und die Bewohner in den Wahnsinn treibt. Auch das Thema des sexuellen Mißbrauchs kommt wieder: Sowohl Raimunda als auch ihre 14-jährige Tochter Paula mußten sich gegen Übergriffe ihrer Väter zur Wehr setzen und hatten dabei mehr oder weniger Erfolg.
Desweiteren setzt sich Almodóvar erneut mit der Thematik des Todes auseinander. Diesmal jedoch von einem etwas anderen Blickwinkel. Es ist kein Zufall, dass der Film mit einer Szene auf dem Friedhof beginnt. Und auch die Schlußsequenz, in der die Silhouette der Mutter Irene im Flur verblasst ist Symbol für Tod und Abschied.
Er selbst habe sich mit dem Thema Tod auseinandersetzen wollen, weil die Vorstellung des Todes schon immer eine große Angst in ihm ausgelöst habe, sagte Almodóvar bei den Filmfestspielen in Cannes:
“Es geht um den Tod, nicht nur von mir und den Menschen, die ich liebe, sondern auch um die unausweichliche Vergänglichkeit von allem Leben. Das ist etwas, das ich noch nie akzeptieren oder verstehen konnte.8
Dieser Angst ist es daher möglicherweise zu verdanken, dass der Regisseur die Figur eines Geistes ins Zentrum seiner Geschichte setzte. Denn es ist die dörfliche Vorstellung vom Tod und von der Wiederkehr, die ihn faszinierte:
“Ich persönlich glaube nicht daran, dass Menschen aus dem Jenseits zurückkommen können. Die Verstorbenen leben allein in unseren Gedanken weiter. Aber ich bin in einem kleinen Dorf in La Mancha aufgewachsen, und ich erinnere mich, dass dort solche Geschichten auf eine ganz selbstverständliche Art erzählt wurden. Die Leute haben die feste Überzeugung, dass Tote ins Leben zurückkehren können, um ihre Angelegenheiten in Ordnung zu bringen.”9
Quellen
1 Vom Winde Verweht war schon vergeben, Interview mit dem Regisseur auf welt.de
2 Interview mit dem Regisseur auf br-online.de
3 Vom Winde Verweht war schon vergeben, Interview mit dem Regisseur auf welt.de
4 Interview mit dem Regisseur in der Zitty
5 Interview mit dem Regisseur in der Zitty
6 Vom Winde Verweht war schon vergeben, Interview mit dem Regisseur auf welt.de
7 Interview mit dem Regisseur auf br-online.de
8 Volver beim Festival in Cannes 2006
9 Interview mit dem Regisseur in der Zitty