Die "Heart of Gold Trilogy"

 

Die Trilogie “A Heart Of Gold”

Das Märchen als Grundlage

Bereits als kleiner Junge liebte der dänische Regisseur Lars von Trier das Märchen Goldherz vom dänischen Autor Hans Christian Andersen. Es handelt von der Geschichte eines armen Mädchens, das allein in den dunklen Wald geht und alles, was es an Besitz hat, an bedürftige Menschen, die ihm begegnen, verschenkt. Am Ende bleibt ihr selbst nicht mehr als ihr Herz aus Gold.

Die Märtyrerin bei Lars von Trier

Diese Geschichte hat Lars von Trier als narrative Grundlage für seine Trilogie Heart of Gold verwendet: In jedem der drei Filme Breaking The Waves, Idioten - Dogma II und Dancer in the Dark dreht sich die Handlung um eine junge Frau, die so naiv und reinen Herzens ist, dass sie vor keiner Demütigung zurückschreckt, um am Ende gewissermaßen als Märtyrerin zu sterben. Von der bloßen Märtyrerinnen-Geschichte distanziert sich der dänische Regisseur und Dogma 95-Mitbegründer jedoch:

“Märtyrer wurden in meiner Familie immer als lächerlich gesehen. Besonders die religiösen Märtyrerinnen galten bei uns als der letzte Kitsch…”1

Ein Film über das Gute

Es ist vielmehr das Reine und das Gute, das den dänischen Regisseur schon von Kindheit an fasziniert hat. Und es ist die Unbeirrbarkeit und die bedingungslose Opferbereitschaft der Figur aus dem Märchen, die er filmisch darstellen wollte:

“Ich hatte schon seit geraumer Zeit den Wunsch, einen Film zu machen, in dem alle treibenden Kräfte “gut” wären. Es sollte in diesem Film nur “Gutes” geben. Aber weil “das Gute” oft mißverstanden oder mit etwas anderem verwechselt wird, weil wir ihm so selten begegnen, entstehen Spannungen.”2

Mit diesen Spannungen hat Lars von Trier die Zuschauer auch in späteren Filmen konfrontiert. Sein Film Dogville zeichnete ebenfalls das Bild einer jungen Frau, die keine Demütigung scheute, um von der Gesellschaft eines kleinen Dorfes anerkannt zu werden.

Bess als Symbol für das Gute

Allerdings haben die Figuren seiner Trilogie Heart of Gold tatsächlich nur ihre Gutherzigkeit. Im Gegensatz zur Figur der Grace in Dogville , die zunächst alles erleidet, um am Ende des Films als Racheengel Vergeltung zu üben, sind sie daher viel zerbrechlicher. Deshalb gehen sie auch in allen drei Filmen zusammen mit ihrem Glauben an das Gute unter. Nicht jedoch, ohne bei den sie umgebenden Menschen einen schalen Geschmack zu hinterlassen.

Obwohl Bess in Breaking The Waves sich den Zwängen der Gesellschaft auf ihre naive Art widersetzt, zerbricht sie doch am Ende an ihrem unerschütterlichen Glauben an das Gute. Dennoch besitzt sie nach Meinung des Regisseurs eine Stärke, die den anderen Figuren im Film fehlt:

“Sie ist eine starke Persönlichkeit, fähig, die volle Verantwortung für ihr eigenes Leben zu tragen, auch wenn andere ihr das nicht zutrauen. Bess' Stärke resultiert aus ihrem Glauben und ihrer Liebe. Mit dieser Stärke gelingt es ihr sogar, sich gegen die strengen Regeln ihrer Gemeinde aufzulehnen und gegen die Kirche, die ihr einst so lieb und teuer war.”3

Bess verzweifelt nicht über ihre Situation innerhalb der Gemeinschaft. Denn in der Gemeinde war sie schon immer Aussenseiter. Es ist vielmehr ihr innigster Wunsch, Gutes zu tun, der ihr die Kraft zum Leben gibt. Und erst als sie den Glauben daran zu verlieren droht, opfert sie sich selbst und verkörpert damit ein letztes Mal die ultimative Selbstlosigkeit – Das ultimativ Gute.

Selma als Verkörperung der Naivität und Güte

Dieses Motiv findet sich auch in der Figur der Selma in Dancer in the Dark wieder. Auch sie verkörpert einen kindlich anmutenden Engel, der auf der harten Welt zwangsweise zerbrechen wird.

Ihre Phantasie ist grenzenlos, und je mehr sie das Augenlicht verliert, umso mehr sieht sie die Farben und die Schönheit ihrer Umgebung mit dem Herzen. Dann ist die Welt, die sonst so trist, grau und traurig ist, voller Leben und Freude. Das Böse existiert nicht in dieser Welt, und sogar die hämmernden Maschinen verwandeln sich in rhythmische Percussion voller Kraft und Übermut.

Doch letztlich geht auch sie zugrunde. Denn auch sie ist nicht ohne Schuld. Aus reinem Eigennutzen, sagt sie, habe sie damals ihren Sohn bekommen, obwohl sie wußte, dass dieser mit der Erbkrankheit belastet sein würde. Nun muß sie die Konsequenzen dafür tragen.

Die Kraft ihres Glaubens steht bei Selme, wie auch bei Bess, in einem unmittelbaren Verhältnis zu ihrer Unfähigkeit, die Wirklichkeit zu sehen. Nur so sind ihre Träume und ihre Phantasie vor der zerstörerischen Macht der Realität geschützt.

Quellen

1 Interview mit Lars von Trier in Die Zeit vom 10.11.2005

2 Interview mit Lars von Trier in Dirk Jaspers FilmLexikon

3 Interview mit Lars von Trier in Dirk Jaspers FilmLexikon